Feenstaub und Wunder in Esslingen

Der Kutschersaal in der Stadtbücherei Esslingen.

Immer wieder entdecke ich auf meinen Lesereisen Städte, die ich so niemals auf dem Schirm gehabt hätte. Esslingen ist eine solche Stadt, die mich vom ersten Moment, als ich mit Lesungskoffern angerollert kam, sofort in ihren Bann gezogen hat. Was ganz bestimmt an der hübschen Burg liegt, die oberhalb der Stadt mit zwei Türmen über das Geschehen am Marktplatz und die ganzen Fachwerk- und Renaissance-Gebäude wacht. Da ist es dann irgendwie auch passend, dass man hier feudal in einem der ältesten Wirtschaften der Stadt nächtigt und in einem wunderschönen Saal liest, dessen Gebäudeteil nur schlappe 800 Jahre alt ist: Im Kutschersaal eines ehemaligen Pfleghofes, in dem die Stadtbücherei Esslingen untergebracht ist.

Aber auch wenn das älteste Fachwerkhaus und die älteste Fachwerkzeile Deutschlands beide in Esslingen beheimatet sind – die Kulturpolitik ist ziemlich modern. Dort gibt es nämlich – was für eine schöne Einrichtung – den Kulturrucksack für die Esslinger Schüler, ein kulturpädagogisches Angebot zum Kennenlernen der Esslinger Kultureinrichtungen. Somit kommen die zweiten und dritten sowie die fünften und sechsten Klassen in den Genuss von Theaterprojekten, von Musikschulangeboten, von Kunstprojekten oder Kinoerlebnissen. Oder eben in den Genuss einer Lesung mit einer Autorin, die elfmal Rocker-Perücke überstreifte, elfmal Feenstaub verteilte und elfmal aus „Fanny und der fast perfekte Fee“ las.

Die Jahreszahl 1232 kann man hier oben lesen …

Nein, und bevor irgendjemand fragt: Das wird der Autorin niemals nicht langweilig, elfmal das gleiche vorzulesen. Zum einen

mag ich die Geschichte sehr und jede Lesung ist anders, individuell und schön für sich. Zum anderen hatte ich wirklich fabelhafte Klassen, die uns im Kutschersaal besucht haben. Aufgeweckt, lustig, neugierig, und sie hatten überhaupt keinerlei Berührungsängste mit meinem Feenstaub, den ich großzügig verteilt habe. Sogar die Jungs bekamen ein bisschen Glitzer auf die Nase. Feenstaub ist dummerweise nur eine Erfindung der Marketingabteilung der Feen, aber das verrate ich immer erst später. Da hatten mir die zwei Klassen am vergangenen Freitag ihre Feenwünsche schon längst gesagt: Dass der Krieg in der Ukraine aufhört, dass bedrohte Tiere besser geschützt werden, dass man in Afrika für mehr Essen und für bessere Wassergewinnung sorgt, den Armen hilft … Ich war so geflasht von diesen wahnsinnig sozial engagierten Drittklässler*innen, dass ich jetzt noch Gäsenhaut bekomme, wenn ich davon erzähle. Ich glaube, Esslingen kann ziemlich stolz sein, solche Schüler*innen zu haben. Vielleicht liegt’s ja auch ein bisschen daran, dass die Stadt und die Bücherei so viel für das kuturelle Miteinander machen.

Eine Lehrerin meinte außerdem doch glatt im Nachgang, das sei die beste Lesung, die sie bislang erleben durfte. Also, das nehme ich mit nach Hause, bedanke mich von ganzem Herzen bei der fabelfeezauberhaften Bettina Langenheim und dem wunderbar engagierten, netten und witzigen Team der Stadtbücherei und roller die Lesungskoffer wieder nach Hause – nicht ohne noch einen kleinen Abschiedsgruß gen Burg geschickt zu haben.

Da würde ich echt gern mal wieder kommen.